Bilder als Reflexion des eigenen Ich.
Leben als Fotograf
Egal, ob ich mich psychologisch oder physisch mit einer Fotografie oder einem anderen Bild beschäftige, ich stelle immer bewusster fest, dass jedes Bildnis seinen Schöpfer reflektiert. Nicht nur, weil wir oder jeder Gegenstand Licht reflektieren, und ich mich des öfteren in den Pupillen der Menschen, welche ich fotografiert habe, als Spiegelung wiederfinde. Nein, auch weil ich mit meiner Art und Weise als Fotograf, meinem Gegenüber ein Gefühl gebe, und dieses auch wiederum festhalte. Das waren jetzt doch zwei lange Sätze, aber so drücke ich mich aus. Warum einfach, wenn… ach, Sie wissen schon.
Es ist als Lichtbildner wichtig, wie ich auftrete, und es funktioniert nicht immer auf dieselbe Art. Jede Situation und Person verlangt unterschiedliche Arten des Auftretens. Wenn ich einen Geschäftsführer begegne, der klein und unscheinbar wirkt und ich ein Portrait machen soll, worauf dieser groß und stark wirkt, kann ich ihn nicht einfach nur so hinstellen, als wäre er es, sondern muss ihm das Gefühl geben, dass er es auch selbst in sich spürt! Weil Zeit ein begrenztes Gut ist, muss ein guter Fotograf den Menschen und die Situation in kürzester Zeit durchblicken und diesem Menschen das Empfinden geben, dass er und sein Bild in diesem Moment das Allerwichtigste des Universums ist.
Ich erinnere mich da gerne an diese Frau, welche in mein Fotostudio geschickt wurde, damit ihr Bildnis in einem Prospekt präsentiert werden konnte. Darin wurde sie von einem Verein als Sponsorin vorgestellt. Als diese Frau das Studio betrat, hatte ich keine Ahnung wer sie ist, und ich wollte schnell und unkompliziert ein einfaches und hübsches Portrait machen. Doch ich habe erkannt, wie unwohl sie sich dabei fühlte und unter der sogenannten Fotophobie litt. Da hilft nur – nach Sheldon Cooper´s Methode – danach zu fragen, ob ein heißes Getränk erwünscht ist. Also trank ich mit der Frau einen Kaffee, und sie erzählte mir, wie scheußlich sie sich auf Fotos fände. Doch nach dem heißen Kaffee versuchten wir es nochmal und ich hatte ein Foto mit welchem ich zufrieden sein konnte. Ohne das Foto anzuschauen, verließ sie das Studio. Nach 2 Wochen kam das Prospekt aus dem Druck, und sie hatte es scheinbar gesehen. Denn sie rief mich an und fragte mich, ob ich nicht Fotos von ihrer Firma machen könnte. Bis dato wusste ich gar nicht, dass Sie Inhaberin eines großen Autohauses war, und ich konnte mich nun darüber freuen, ihre Mitarbeiter, Werkstatt und Verkaufsraum abzulichten. Beim Fotografieren war Sie live dabei. Nun ließ sie sich liebend gerne fotografieren. Diesmal war alles anders. Selbstbewusst und Strahlend stand sie da und freute sich auf ihr Foto. Sie vertraute mir.
Es war eine nette Begegnung und zeigt ganz einfach: Für so etwas Wichtiges wie ein Bild müssen wir uns ganz einfach Zeit nehmen – vor allem, wenn sich ein Mensch vor die Linse traut. Es ist ein Augenblick, der nie mehr wieder kommt.
Zum Schluss erklärte mir die Dame, sie hätte noch nie ein Foto von ihr besessen, mit welchem sie zufrieden gewesen wäre. Für mich war es ein gewöhnliches Portrait, doch für sie war es das erste und einzige schöne Foto von ihr. Und da wären wir nun bei der heutigen Essenz angelangt: Wer Fotograf werden möchte oder es schon ist, muss seine Umwelt ständig im Blick haben und das Richtige aufnehmen und wieder zurückgeben, damit er das bekommt, was er möchte. Ein gutes Bild.